Lebens-Linien

 

 

Im Gedenken an meine Mutti, verstorben am 26.August 2021

 

Lebenslinien

 

 

 

Ich glaub, das Leben hat es gut gemeint mit mir bisher, unterm Strich,

 

trug mich mal hoch hinauf, ließ mich fallen, und gab mir Zeit zum Krone richten.

 

Ich stand oft mit dem Rücken zur Wand, doch die ist aus besonderem Stein:

 

die Geborgenheit der Familie öffnet Türen und lässt mich hinein.

 

Erwachsen zu werden fällt leicht mit der Option des ewigen Kindseins.

 

Für immer Eltern zu sein versöhnt mit dem Wissen um das „Später mal alt sein“.

 

So bleibt die Familie als Nest, als Hort, Heimat, als meine Zuflucht,

 

für immer, so scheint‘ s. Umso härter trifft es mich jetzt,

 

wo das Schicksal uns heimsucht….

 

Gibt es eine Institution, die  Gut und Schlecht gegenüber stellt,

 

und dann selbstherrlich entscheidet, wer was verdient hat in dieser Welt?

 

Das Schicksal der Anderen erscheint auf einmal so dicht neben mir,

 

bin betroffen, in jedem Wortsinn. Was  geschieht, ist nicht fair.

 

 

 

Die Idee kommt mir, einen Brief zu schreiben  an diese Institution,

 

in dem ich feilschen könnte, naiv, um die wage Option,

 

auf meine Schultern zu laden, mehr als ich wirklich tragen kann,

 

damit der Mensch, der mir lieb ist, noch eine Weile bleiben kann.

 

Der Lebensweg ist vorhergezeichnet, brauchst ihn  nur zu gehen.

 

Manche Weichen sind im Schatten oder Sonnenlicht nicht zu sehen,

 

 „Entweder oder: Oder?“ – diese Frage stellt sich nicht,                                     

 

denn du triffst nicht die Entscheidung, sondern sie trifft manchmal dich…

 

wie aus den Nichts, unweigerlich…

 

So scheint  es. Doch plötzlich verbinden sich die Lebenslinien

 

von uns allen, und das schafft Nähe, Halt und Festigkeit, wie Stein!

 

Dem Schicksal zeigen wir den Mittelfinger,

 

der möge Antrieb für das Pendel sein,

 

das durch uns alle Energie aufnimmt und schwingt

 

und in der unbestimmten Zeit, die uns bleibt,

 

dem Schlechten noch was Gutes abgewinnt.