....Esssüchtige Frauen mussten schon sehr früh Verantwortung übernehmen und eigenständig sein. Häufig wurde ihnen zu früh die Sorge um ihre jüngeren Geschwister übertragen. Obwohl bei den betroffenen Frauen eine große Bedürftigkeit besteht, endlich selbst einmal etwas zu bekommen, gelingt ihnen dies in der Regel nicht auf dem direkten Weg, sondern über den Umweg des "Gebens". (Stangl, 2020).

Verwendete Literatur
Stangl, W. (2020). Eßstörungen Essstörungen Ess-Störungen. [werner stangl]s arbeitsblätter.
WWW: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/SUCHT/EssstoerungenUrsachen.shtml (2020-07-21).

 

 

Als Grundkonflikt bei Essstörungen wird die Suche nach der eigenen Identität angesehen. Häufig ist sie begleitet von langjährigen inneren Kämpfen zwischen Abhängigkeit und Selbstbestimmung. Anfangs innerhalb der Familie, später in Beziehungen zu Partnern und im öffentlich-gesellschaftlichen Leben. Esssüchtige haben meist ein äußerst instabiles Selbstwertgefühl und versuchen, sich Liebe und Anerkennung durch Leistung oder Anpassung zu verdienen. Frauen mit Essstörungen sind oft perfektionistisch veranlagt, denn sie haben das Gefühl, sich anderen ständig beweisen zu müssen und nichts, was sie tun, ist gut genug. Ziele, die erreicht wurden, werden entweder konsequent verleugnet und ignoriert oder durch neue, höhere ersetzt. Die Ansprüche, die die Betroffenen sich selbst gegenüber haben, sind in der Regel völlig übertrieben und können daher gar nicht erreicht werden. Der eigene Körper wird konsequent abgelehnt und alle Versuche, sich mit ihm auseinanderzusetzen und anzufreunden, werden genauso abgeblockt wie positive Kommentare von anderen Menschen. Viele Betroffene erwecken das Eindruck, sich gar nicht helfen lassen zu wollen. Die Sucht ist das einzige, worauf sie sich verlassen können, denn nur hier erleben sie hin und wieder ein Gefühl von Macht und Kontrolle über ihr Leben. Die Essstörung ermöglicht ihnen, unangenehme Gefühle nicht spüren und nicht ausdrücken zu müssen. Frauen, die von Essstörungen betroffen sind, haben grundsätzlich Probleme mit Nähe und Distanz; sie haben nicht gelernt, ihre Grenzen richtig wahrzunehmen. Bei Übergewichtigen offenbart es sich in ihrem Körperfett als unscharfer Ich-Grenze, bei Bulimikerinnen in der extremen Durchlässigkeit ihrer Grenzen - sie lassen zuviel hinein und müssen es dann gewaltsam wieder hinausbefördern - und bei Magersüchtigen in einem Zuviel an Grenzziehung - sie lassen zuwenig in sich hinein. Esssüchtige sagen immer "ja", Bulimikerinnen immer "ja, aber" und Magersüchtige immer "nein".

Literatur

Foucault, Michel (2012). Sexualität und Wahrheit 2. Der Gebrauch der Lüste. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Malik, S., McGlone, F. & Dagher, A. (2008). Ghrelin Modulates the Hedonic Value of Visual Food Stimuli: A fMRI Study in Humans. Cell Metabolism, 7, 400-409.

 

"... Zu Suchtmitteln greifen wir in dem Moment, in dem wir das gerade Erlebte nicht wahrnehmen wollen und uns sozusagen mit dem Suchtmittel aus dem Moment herauskatapultieren. Beispiel: Wenn ein Raucher etwas sagen müsste, eine ehrliche Antwort geben müsste, zieht er es vor, zu schweigen und sich eine Zigarette anzuzünden. Wenn zwei Menschen miteinander offen und ehrlich reden sollten, ziehen sie es vor, fetten Kuchen zu essen. Wann immer man ernsthafte Gespräche, die sich um die echten eigenen Sorgen drehen, führen sollte, greift man lieber zu einem Bier oder zu einem Glas Wein und schweigt oder lenkt das Gespräch in unverfängliche Flachheit. Und dazu kommt noch die Schulmedizin, die sagt: Rauchen ist schlecht für die Lungen, Kaffee schlecht fürs Herz, Alkohol schlecht für die Leber, Süßigkeiten schlecht für die Zähne, fette Speisen schlecht für die Bauchspeicheldrüse, Marihuana schlecht fürs Nervensystem und so weiter und so fort. Keine Droge ist aus sich selbst heraus schlecht. Es ist die Sucht. Es ist die Sucht, die uns die Droge im Übermaß konsumieren lässt. Süchte aller Art sind Lebensverhinderer. Indem wir das wirkliche, dynamische Leben nicht zulassen, unterstützen wir unser Illusionsgewebe. Und das ist die verheerende Wirkung der Süchte. Das Leben zieht an uns vorbei und wir sind gefangen in unseren Illusionswelten."